Zwei Sonnenbrillen

Dankbar

Meine Arbeit hat mich mit Menschen zusammengeführt, die mich sehr berührt haben.

Auf dem Foto sehen Sie die 99-jährige Elenora Ernst, kurz bevor sie gestorben ist. Sie ist mit Gottvertrauen, Humor und beeindruckend angstfrei gegangen. Solche Menschen kennenlernen und begleiten zu dürfen, empfinde ich als ein großes Privileg.

Hier berichte ich von weiteren Begegnungen, die ich nie vergessen werde und an denen ich wachsen durfte.

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Rainer Liepold

Fotos bewegen uns

Wirklich? Haben wir es nicht heute mit einer Bilderflut zu tun, die Fotos zur Massenware macht?

Sehr wahrscheinlich sind wir aber bewegt, wenn uns jemand von den Beweggründen hinter einem alten Foto erzählt. Das kann Hannelore Ziegler mit großem Charme. Wenn sie in einem alten Album blättert, bekommen die schwarz-weißen Liebesgeschichten Farbe.

Man versteht heute noch, warum die junge Hannelore so viele Verehrer hatte. Und wenn sie über den Mann spricht, dem sie dann das Ja-Wort gegeben hat, dann versteht man, dass das die richtige Wahl war: "Er war nicht der Schönste, von denen die ich haben konnte, aber er war so klug und er hat mich zum Lachen gebracht" berichtet sie - und lacht.

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Familie

Was wissen - und dann das Wissen weitergeben

Er hat wohl das Großvater-Sein noch intensiver erlebt, als das Vater-Sein.

Gerhard Mahler hat mit Begeisterung Ausflüge mit dem Sohn seiner Tochter unternommen. Und dabei war ihm immer wichtig, dass sein Enkelchen möglichst auch etwas lernt oder entdeckt. Auch als Opa hat er nie aufgehört, ein leidenschaftlicher Forscher zu sein.

Heute berichtet sein Enkel gerührt, dass es der Opa war, der bei ihm die Weiche in Richtung eines naturwissenschaftlichen Studiums gestellt hat.

Um ihn zu würdigen hat er anlässlich es 80. Geburtstages einen Wikipedia-Eintrag über seinen Großvater verfasst.

Gerhard Mahler ist ein eindrucksvolles Beispiel: Sich Wissen anzueignen und dieses Wissen dann weiterzugeben - ja, das trägt bis ins hohe Alter zur Lebensfreude bei!

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Lore-Malsch-Haus

Das Leben als Weg zu Gott

Paula Leber war Pilgern, lange bevor es ein Modesport wurde.

Über ihrem Bett hängt ein Stoffband, an das sie alle ihre Pilgerplaketten geheftet hat. Das Stoffband ist 1,45 Meter lang und erinnert an mehr als sechzig Wallfahrten. Meistens war Altötting das Ziel.

"Unser aller Weg endet am Ende bei Gott" war ihre Überzeugung, wobei sie dann schmunzelnd ergänzt: "Ich habe halt schon von Jugend an ein bisschen trainiert für die letzte Reise!"

Der Altersforscher entdeckt bei Paula Leber gleich zwei Rezepte für ein erfülltes Alter: Sport und ein angstfeier, positiver Glaube.

Das Pilgern war für sie nie ein Pflichtprogramm. Es war bis über den 80. Geburtstag hinaus ihr Weg, Gott näher zu kommen und rüstig zu bleiben.

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Lore-Malsch-Haus

Diakoniegeschichte, die atmet, lacht und manchmal auch schimpft?

Ja, ich verdanke Schwester Ursula unzählige beeindruckende Berichte aus der Vergangenheit des Lore-Malsch-Hauses. Kurz vor Weihnachten 2019 war die 97-jährige noch zum Gottesdienst in der Hauskapelle. Dass sie dieses Mal am Ausgang nur wohlwollende Rückmeldung gab und auf den üblichen Verbesserungsvorschlag verzichtet hat, erfüllte mich mit Sorge. Und tatsächlich: Am 31. Dezember ist sie verstoben.

Schwester Ursula hat im Krieg nach nur drei Wochen Ehe ihren Mann verloren. Danach gehörte sie zu den Grünungsmitgliedern der "Ottobrunner Diakonieschwesternschaft", die das Lore-Malsch-Haus aufgebaut hat. Schwester Ursula war eine überaus kluge Chronistin. Durch ihre Aufzeichnungen erschließt sich ein bewegendes Stück Diakoniegeschichte. Diese Art von Selbstlosigkeit - Verzicht auf Familie, Ehe, Privatleben - ist meiner Generation fremd. Im Gespräch mit ihr habe ich viele Anstöße gefunden, über mich und die Zeit, die meine Generation geprägt hat, nachzudenken.

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Rainer Liepold

Sein Leben meistern

Helmut John ist KFZ-Mechaniker. Mit Meisterbrief. Und natürlich mit eigener Werkstatt.

Die Werkstatt hat schon von seinem Vater übernommen. Kurz vor seinem 70. Geburtstag hat er dann die Leitung an seinen Sohn übergeben hat.

Trotzdem erscheint Helmut John bis heute pünktlich im Blaumann am Arbeitsplatz. Allerdings nimmt er sich in der Werkstatt jetzt mehr Zeit für sein Hobby: Die Oldtimer haben es ihm angetan!

Helmut John hat es im Laufe seiner Lebensgeschichte zu einer beachtlichen Sammlung an alten Fahrrädern, Mopeds und Autos gebracht. Zu einer Ausstellung seiner Exponate sind über 200 Menschen gekommen.

Das Foto zeigt eine 82-jährige Besucherin, die als junge Frau von ihrem Ehemann nie ans Lenkrad der "Isetta" gelassen wurde. Meister John war da großzügiger...

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Familie

Das befreite Lachen

"Manchmal tu´ ich fei auch beten, Herr Pfarrer!" Kurz bevor Barbara Choron gestorben ist, wollte sie das nochmal klarstellen.

Ich hatte sie davor oft besucht. Ich bin immer gerne zu ihr gegangen: Ihr herzliches Lachen war ansteckend!

"Wenn ich mich ärgern muss, dann gehe ich danach einfach zu Ihnen - und schon bin ich wieder gut drauf" habe ich sie deshalb eines Tages gelobt.

Mein Lob hat sie - natürlich! - zum Lachen gebracht. Aber dann wollte sie schon auch klarstellen: "Manchmal tu´ ich fei auch beten!"

Schön!

Aber vielleicht ehrt man Gott ja mit einem ehrlichen, herzlichen Lachen ohnehin genauso wie durch ein Gebet?